Pleiten, Pech und Aussteiger

„Was mache ich nur falsch?!“, frage ich mich an diesem Morgen wieder einmal. Es ist 5:30 Uhr und ich habe gerade den dritten Aussteiger in nur einer Nacht hinter mir.


Beim nächsten Ansitz an demselben See spielt sich genau das Gleiche ab. Nur ein Fisch von dreien verirrte sich in meinen Kescher, allerdings auch noch sehr ungünstig gehakt. Vor nur einem Monat haben meine Montagen noch perfekt gearbeitet und ich hatte keinen einzigen Aussteiger. Sie funktionierten nicht nur die letzten Monate perfekt, vor einem Jahr waren mir solche Probleme schlicht unbekannt. In Gedanken gehe ich meine Vorgehensweisen der letzten Ansitze durch: „Montagen – dieselben, Futter – dasselbe, aber die letzten beiden Male habe ich zusätzlich kleine Pellets weiträumig gestreut. War das der Grund?“.


Auffällig war, dass ich seit dem Einsatz der 8mm-Pellets nur noch Fehlbisse bekam. Also entschied ich mich mein Standard-Rig (Line Aligner mit 15-20 cm) mal ein wenig zu ändern und verlängerte erstmal die Vorfachlänge auf 30-35 cm und ließ mehr Platz von Boilie zu Haken. Der Abstand von Boilie zu Haken betrug nun ungefähr 2 cm. Als Haken benutze ich die Fox Series 2XS und dazu Vorfachmaterial von Spro, welches eine steife Beschichtung besitzt und einen weichen Kern. Vielleicht fressen die Fische ja einfach nur unkonzentriert?! Vielleicht bringt das längere Rig nun endlich den Erfolg? Schlechter kann es ja eigentlich gar nicht werden und irgendetwas muss einfach geändert werden!


Beim nächsten Ansitz zeigt das neue Rig zunächst einmal seine Wirkung und beschert mir noch bis Mitternacht 3 perfekt gehakte Brassen. Wie wunderschön! Die ganze Nacht über höre ich lautes Platschen vom gegenüberliegenden Ufer. Das typische Platschen wenn Karpfen ablaichen. „Na toll...eigentlich könnte ich jetzt auch einpacken“, denke ich mir, denn Fische während der Laichzeit zu fangen ist wirklich schwer und eigentlich ja recht selten.
Die Nacht verläuft somit wie erwartet ruhig. Doch morgens gegen 6:00 Uhr ertönt dann erstmals ein Dauerton von meinem rechten Bissanzeiger. Beide Ruten lagen direkt vor, bzw. schon zwischen den Seerosen, wo die Fische eigentlich mit dem Ablaichen beschäftigt sind. Nach einem kurzen Drill liegt ein schöner, dickbäuchiger Spiegler in meinem Kescher. Der Fisch ist gut gehakt und endlich mal kein Ausschlitzer! Ich bin verblüfft, dass es scheinbar doch noch Fische gibt, die mit dem Fressen beschäftigt sind und freue mich natürlich riesig über den Erfolg.


Ob der Fang jetzt wirklich an meinen neuen Vorfächern lag oder ob es einfach nur Glück war ist schwer zu sagen, denn die Idee mit den längeren Vorfächern wurde wenige Zeit später an einem anderen Gewässer direkt wieder über den Haufen geworfen. Anderes Gewässer, andere Sitten, oder wie heißt das noch gleich?
Nachmittags gegen 16 Uhr komme ich am See an. Meine Stelle ist frei und ich kann entspannt aufbauen, da ich ohnehin der Einzige am See bin. Es tut gut mal wieder entspannt an einem anderen Gewässer zu sitzen und sich nicht so viele Gedanken um Aussteiger machen zu müssen. Ich behalte natürlich lange Vorfächer im Einsatz. „Was kann schon groß passieren, ist ja eh ein anderer See!“, denke ich mir noch und mache alles fertig. An die Ruten kommt zur Abwechslung mal ein Active-Liver Boilie. Ansonsten habe ich in letzter Zeit fast immer mit Natural-X gefischt. Aber die Boiliesorte sollte nun wirklich kein Grund für die zahlreichen Aussteiger sein.
Gegen 20:00 Uhr fange ich dann auch schon den ersten Fisch, einen kleinen Spiegler von ca. 10 Pfund. Kurze Zeit darauf folgen noch zwei Brassen. Alle Fische sind unter Einsatz der langen Vorfächer wirklich absolut perfekt in der Unterlippe gehakt und ich mache mir überhaupt keine Gedanken mehr, dass da etwas schief laufen könnte. So freue ich mich dann gegen 22:00 Uhr zunächst über einen richtig schönen Fullrun. Die Spule scheint sich zu überschlagen und ich zwäng mich noch schnell irgendwie in die Schuhe und mache einen großen Satz zu meinen zwei Meter vom Zelt entfernten Ruten.
Anhieb und direkt ein starker Widerstand. Der Fisch kommt an die Oberfläche und „Zack“, kommt mir das Blei auf der Wasseroberfläche förmlich entgegen geflogen. „Verdammte Sch....“, denke ich mir enttäuscht und mache die Rute schnell wieder fertig. Okay, ein Aussteiger kann ja mal vorkommen. Gerade eben hat die Montage ja noch funktioniert, wird also schon gut gehen. Tja, weit gefehlt! Eine knappe Stunde wieder ein guter Fullrun. „Alter Schwede“, denke ich mir nur und haste schnell, von dem vorherigen Aussteiger leicht verunsichert, an die Rute und setze einen gefühlvollen Anschlag.
Der Widerstand bleibt für ungefähr zwei Sekunden und dann kurbele ich wieder mal meine Montage über die Wasseroberfläche. Dieses Szenario wiederholt sich bis 5:00 Uhr morgens noch einmal und zur Abwechslung habe ich einen Aussteiger mit anschließendem Schnurbruch. Vielleicht habe ich auch ein Hindernis im Wasser übersehen?! Kann aber eigentlich nicht, denn letztes Jahr hatte ich an derselben Stelle nicht dieses Problem.
Nachdem ich dann die Rute wieder fertig montiert habe, werfe ich erstmal unkonzentriert in einen Baum. In solchen Momenten ist man doch manchmal echt kurz davor alles hinzuwerfen. Aber ich fasse meine Gedanken und beschließe beide Ruten mit kürzeren Vorfächern auszustatten und noch bis Mittags am See zu bleiben. Gegen 9:00 Uhr fange ich dann tatsächlich noch einen kleinen Schuppi von vielleicht 6 Pfund auf ein kurzes Vorfach.
Aber das Blatt sollte sich doch noch zum Guten wenden, denn nur knapp eine Stunde später gelang es mir noch einen wohl genährten Schuppi zu überlisten. Wenn man so viele Aussteiger hatte, dann geht man irgendwann mit der Einstellung zur Rute, dass das eh nichts wird und der Fisch so oder so Aussteigen wird. Umso größer war meine Freude über den Fisch, der NICHT ausgeschlitzt ist und obendrein auch noch perfekt gehakt war. Die kurzen Vorfächer haben es scheinbar wieder rausgehauen! Hätte ich das mal eher gemacht... Aber wie heißt es so schön „Hätte hätte Fahrradkette!“ ;-).


Der Fisch ist gerade im Kescher, da kreischt auch schon mein zweiter Bissanzeiger nach Hilfe. Ich nehme die Rute auf und spüre direkt einen guten Widerstand. Zum Glück ist mein Gegenüber nicht ins dichte Kraut geflüchtet, sondern in Richtung Freiwasser. Da ich alleine bin und irgendwie den Kescher wieder einsatzbereit machen muss, lege ich die zweite Rute wieder auf die Buzzer Bars und mache den Freilauf rein. Der Schuppi im Kescher wird in neuer Rekordzeit abgehakt und versorgt. „Hoffentlich hat sich der zweite Fisch nicht wieder verabschiedet...“, denke ich und nehme den Kontakt wieder auf. Nein, er ist noch da. Mit leicht zitternden Knien drille ich den Fisch und nach einiger Zeit gleitet ein dicker Schuppi über meinen Kescherrand! Als der Fisch dann auf der Matte liegt lasse ich erst einmal einen wohlverdienten Freudenschrei raus. Nach den ganzen Aussteigern und Pannen die mir in letzter Zeit passiert sind, waren diese beiden Fische für mich persönlich doppelt so viel Wert wie normalerweise!


Als Fazit kann ich nur sagen, dass man Dinge die an Gewässer A gelten, auf keinen Fall blind auf Gewässer B übertragen sollte! An dem einen See funktionierten die langen Vorfächer. An dem nächsten See brachten sie wieder nichts als Aussteiger und Verzweiflung.
Deshalb sollte man auch Tipps von Karpfenanglern die man so in Fachzeitschriften oder auch im Internet liest mit Vorsicht genießen. Nur weil sie bei ihnen am Wasser funktionieren heißt das noch lange nicht, dass sie auch bei einem selbst funktionieren. Es gibt leider kein Muster, welches man überall anwenden kann um erfolgreich zu sein. Tipps sollten daher als Denkanstöße aufgenommen werden und dann vielleicht in abgeänderter Form angewandt werden. Oft kommt man dann selbst zu der Erkenntnis welche den Erfolg bringt. Manchmal kann das leider recht lange dauern und auch ziemlich frustrierend sein. Manchmal fragt man sich auch wirklich um welchen Preis man Fischen geht. Aber es ist enorm, wie nahe Erfolg und Misserfolg beieinander liegen. Und eines der wichtigsten Dinge hierbei ist wahrscheinlich auch das persönliche Glück.
Ich für meinen Teil kann euch raten, dass ihr versucht eure Vorgehensweisen den Gewässern und der jeweiligen Situation anzupassen und keine voreiligen Schlüsse von dem einen Gewässer auf das Andere zieht, denn das kann einen wirklich in die Irre führen. Nachdem ich mir nun wieder ganz simple Line-Aligner aus weicher geflochtener gebunden habe, hat sich die Aussteigerquote auch wieder auf Null reduziert.

Hoffen wir, dass es lange so bleibt!


Keine Aussteiger und lieber eine nasse Matte wünscht euch,


Max Blümer