Berichte und Studien zu Catch and Release

Catch & Release in der anglerischen Praxis

 

Geschrieben von Ernie1973, Angler und dipl. Jurist, Köln 2010

 

 

Bei kaum einem anglerischen Thema gibt es soviel Streit, wie bei diesem Thema, weswegen in diesem Beitrag mal eine praxisnahe und auch für „Nicht-Juristen" verständliche und gebräuchliche Kurzbetrachtung erfolgen soll.

Es sollen nachfolgend lediglich einige der grundlegenden Fragen zu diesem Thema beantwortet werden, ohne dabei den Anspruch auf eine vollständige Abhandlung dieses Themas zu erheben.

Auch wird auf eine Begriffserklärung des „C&R" verzichtet, da mittlerweile jedem Angler klar sein dürfte, was damit gemeint ist.

Der Beitrag erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch, sondern soll einfach mal ein wenig Licht in den Dschungel der Vorurteile, Fehlvorstellungen und Halbwahrheiten unter uns Anglern bringen.

Auch ist dieses Problemfeld ein Punkt, bei dem wir Angler ins Fadenkreuz von Tierschützern, Tierrechtlern und sogar, wenn auch noch recht selten, ins Fadenkreuz der Justiz kommen.

Für wissenschaftlich Ambitionierte verweise ich ausdrücklich auf den Beitrag von Kai Jendrusch und Dr. Robert Arlinghaus zum Thema „Catch & Release"(
Agrar- und Umweltrecht 2005, S. 47 ff. ), sowie auf die Betrachtung von OStA a.D. Hermann Drossé (http://www.bezirk2-ilmenau.de/html/urteil_zu_c_r.html )
zu diesem Thema.

Ein weit verbreiteter Irrtum unter Anglern, welcher anscheinend teilweise sogar in Lehrgängen zur Fischereiprüfung von den Dozenten vor Ort vermittelt wird, taucht immer wieder in verschiedensten Anglerforen auf und soll hier thematisch einmal als Aufhänger dienen.

„Ein gefangener, maßiger Fisch muss entnommen, betäubt und getötet werden und darf nicht wieder zurückgesetzt werden".

 

Dies liest man so, oder ähnlich, immer wieder in den Foren.Um es kurz zu machen, diese pauschale Aussage stimmt so einfach nicht.

Eine generelle Entnahmepflicht für maßige Fische gibt es nicht!

Zwingende Grundlage und rechtliche Rechtfertigung der sich dem eigentlichen Fangvorgang anschließenden Tötung

eines Fisches im Sinne des Tierschutzgesetzes ist immer ein „vernünftiger Grund".

Hier die einschlägige Vorschrift, nach der gegebenenfalls vorhandene Verstöße rechtlich beurteilt werden:

§ 17 (Tierschutzgesetz)

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder
2. einem Wirbeltier
a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder
b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.



Zunächst einmal kann festgehalten werden, dass die Tötung eines Fisches nach § 17 Nr. 1 TierschG also das Vorhandensein eines „vernünftigen Grundes" zunächst einmal zwingend voraussetzt, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Im Umkehrschluss könnte man also sagen, dass dadurch der, oben angeführte und leider weit verbreitete, Satz schon zumindest dahingehend eingeschränkt verstanden werden muss, dass man nur bei Vorliegen eines solchen „vernünftigen Grundes" einen Fisch überhaupt töten darf, aber keinesfalls töten muss, wenn ein solcher vernünftiger Grund eben nicht gegeben ist.

Denkbare „vernünftige Gründe" für die Tötung eines Fisches durch Angler gibt es viele, wie z.B.:

- Verwendung des gefangenen Fisches zum menschlichen Verzehr (wohl der Klassiker)
- Verwendung des Fisches als Trophäe (zur Präparation)
- Verwendung des Fisches als Tierfutter
- Eine starke erkennbare Verletzung des Fisches, welche die Überlebensfähigkeit des Fisches ernsthaft gefährdet, gebietet nach der hier vertretenen Ansicht ebenfalls eine sofortige waidgerechte Tötung des Fisches.
- Hegepflichten etc.

Dabei sollte man beachten, dass der „vernünftige Grund" NUR in § 17 Nr.1 TierschG für die Tötung
vorliegen muss und nicht etwa, wie man leider oft liest, für das Angeln an sich.

Zwar steht der „vernünftige Grund" auch in § 1 TierschG, jedoch nicht in der Strafvorschrift des § 17 Nr. 2 TierschG, wonach sich eine mögliche Bestrafung zu richten hätte.
Ob das Angeln an sich ein „vernünftiger Grund" ist, kann dahinstehen, solange der Angler zumindest einen auch rechtlich anerkannten Grund für sich benennen kann, welcher durchaus „einfach so" auch nach dem Fang entfallen könnte.

Im Ergebnis heißt das, dass kein Angler bestraft werden kann, der angibt, beispielsweise mit der Absicht einen Fisch zum Verzehr, oder als Tierfutter fangen zu wollen geangelt hat, sich seine Verwendungsabsicht aber, warum auch immer, direkt nach den Fang geändert hat.

Das oft zitierte Urteil des Amtsgerichtes Bad Oeynhausen (Urt. V. 10.04.2001 – 5 Cs 16 Js 567/00), durch welches ein Karpfenangler zu 10 Tagessätzen verurteilt wurde, weil er einen Karpfen gefangen, gewogen, photographiert und zurückgesetzt hat spricht ebenfalls nicht grundsätzlich gegen „Catch & Release", da der Fall dort so lag, dass der Vorgang des Abhakens, Wiegens und Photographierens insgesamt „max. 5 Minuten" gedauert hat.
Dabei finde ich ganz persönlich, dass diese Zeitspanne unnötig lang war und sich der betroffene Angler einmal fragen sollte, ob dies wirklich nötig war.

Rechtlich basierte die Verurteilung auf § 17 Nr.2 b TierschG, weil offenbar der Angler nach Ansicht des Gerichts wegen „Zufügung von länger anhaltenden erheblichen Schmerzen und Leiden" strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen war.
Die Urteilsgründe knüpften dabei aber offenbar eher an die dem Fangvorgang folgenden 5 Minuten an, jedoch nicht an den Fangvorgang an sich an.
Der Angler gab an, dass er direkt aufgrund der Größe des Karpfens (44 Pfund) erkannte, dass eine Verwertung zum Verzehr für ihn nicht mehr in Frage kam.
Damit fehlte es schon an einem vernünftigen Grund für die Tötung des Fisches.

Damit war es letztlich seine „Trophäengeilheit" bezüglich des mit Selbstauslöser gemachten Photos und seine Neugier bzw. seine Lust, mit dem ermittelten Gewicht des Karpfens aufwarten und evtl. auch später prahlen zu können, welche zu einer Verurteilung führten.

Also könnte man sagen, dass Fangphotos, Länge und Gewicht eines Fisches im Ergebnis von diesem Gericht wohl nicht als „vernünftiger Grund" für die sich dem Fang anschließende relativ lange Behandlung des Fisches angesehen wurden.

Dies spricht zum einen nicht gegen die Praxis des „Catch & Release" und zum anderen auch nicht für eine „Anglerfeindlichkeit" des erkennenden Gerichts, da nach hier vertretener höchstpersönlicher Ansicht „max. 5 Minuten" unnötig und zu lang erscheinen und auch die „Gründe" für diesen Vorgang rechtlich bedenklich erscheinen.
Ob nun der Fisch bei diesem Vorgang im rechtlichen Sinne tatsächlich länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden erfahren hat, ist eine andere Frage, die in dem Aufsatz von Kai Jendrusch und Dr. Robert Arlinghaus mit guten Gründen angezweifelt wird.
Das kann man durchaus auch anders sehen, als es das AG Bad Oeynhausen tat, womit zumindest strafrechtlich keine Verurteilung nach der auch hier vertretenen Ansicht im Ergebnis hätte erfolgen dürfen.

ABER:

Moralisch finde ich ganz persönlich, dass der dort verurteilte Angler einfach nicht waidgerecht gehandelt hat, sondern aus fragwürdigen Motiven einen Fisch unnötig lange hat leiden lassen, bei dem ihm direkt nach dem Fang schon klar war, dass er ihn nicht verzehren wollte, weswegen sich mein Mitleid durchaus in Grenzen hält, wenn er ihn dann trotzdem weitere „max. 5 Minuten" an Land lässt.

Folgt man nun dem Wortlaut des Gesetzes, dann muss man sogar zwingend einen gefangenen Fisch zurücksetzen, wenn einem im Moment der Entscheidung (also unmittelbar nach dem Fang) als Angler der „vernünftige Grund" zur Tötung fehlt.
Dies ergibt sich quasi aus einer wortlautgetreuen Anwendung des § 17 Nr. 1 TierschG direkt und wird sicherlich manchen Angler überraschen.

Der Fangvorgang eines Fisches an sich ist noch nicht ernsthaft als Verwirklichung des § 17 Nr. 2 a, b TierschG angesehen worden, was strafrechtlich auch nicht ohne Verrenkungen und Kunstgriffe möglich sein dürfte (man müsste dazu nach der hier vertretenen Ansicht den „vernünftigen Grund" aus § 1 TierschG in den § 17 Nr. 2 TierschG hineinlesen, weil er dort gerade NICHT steht, was nach strafrechtlichen Grundsätzen sehr fragwürdig erscheint), da die Wissenschaft in den entsprechenden naturwissenschaftlichen Fachrichtungen sich über diese Frage noch ziemlich uneinig ist (auch wenn die PETA das anders sehen mag und immer nur wissenschaftliche Abhandlungen zitiert, die dortige Vorstellungen untermauern und dabei leider alle anderen wissenschaftlich fundierten Meinungen „ausblendet") und kein Jurist der Welt sich anmaßen wird, diesbezüglich mehr zu wissen, als die Kollegen aus den einschlägigen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen.

Fazit:

Wer einen „vernünftigen Grund" hat, der kann problemlos einen auch ansonsten (Schonzeiten, regionale Fanglimits etc.) regulär gefangenen maßigen Fisch töten.

Wem dieser „vernünftige Grund" zur Tötung aber (vielleicht auch erst im Moment der Entscheidung unmittelbar nach dem Fang) fehlt, der muss streng genommen sogar den gefangenen Fisch zurücksetzen.

Dabei sollte man beachten, dass ein ehemals vielleicht gefasster „Verwertungsvorsatz" bzw. eine ehemals bestehende Verwertungsabsicht auch direkt nach dem Fang schon entfallen kann (z.B. mit dem bloßen Argument, dass der Fisch zu groß, zu klein, zu unappetitlich etc. gewesen sei) – man hat also als Angler das Recht, direkt nach dem Fang seine Meinung bezüglich des konkret geangelten Fisches auch noch zu ändern.
Da dann der „vernünftige Grund" zur Tötung nicht mehr gegeben ist, bestünde sogar eine Rechtspflicht nach § 17 Nr. 1 TierschG zum Zurücksetzen des Fisches.

Bei Beachtung dieser offenbar so noch nicht deutlich und klar gewordenen Betrachtungsweise ergeben sich hinsichtlich eines „C&R"-Angelns, bei dem ansonsten waidgerecht mit den gefangenen Fischen umgegangen wird, keine rechtlichen Bedenken.
Der vernünftige Grund zum Angeln an sich kann allerhöchstens von den Gegnern des „C&R" aus § 1 TierschG herausgelesen werden, steht aber in § 17 Nr. 2 TierschG tatsächlich nicht drin.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Rechtsordnung uns Anglern die Freiheit gibt, so zu handeln, wie wir es individuell für angemessen halten, wobei doch immer die Achtung und der Respekt vor dem Fisch als Lebewesen unsere Grenze sein sollte, so dass letztendlich moralische und ethische Grenzen unser Maßstab sein sollten und nicht bloß die Angst vor Strafe.

Wirklich in Konflikt mit dem Gesetz geraten kann also nur ein Angler, der so töricht ist, von vorneherein (öffentlich und nachweisbar) zu erklären, dass er jeden gefangenen Fisch zurücksetzen wird und niemals über einen der rechtlich anerkannten „vernünftigen Gründe" im Sinne des § 1 TierschG verfügt hat.
Damit kann also nur ein Angler überhaupt mal Gefahr laufen, verurteilt zu werden, der sich selbst um „Kopf und Kragen" redet.

Denn wenn er selber angibt, Fische zu fangen, ohne dabei zumindest im Stadium vor dem tatsächlichen Fang, einen solchen rechtlich anerkannten vernünftigen Grund für sich in Anspruch genommen zu haben, könnte in der Tat ein Gericht den „vernünftigen Grund" aus § 1 TierschG mit in den § 17 Nr. 2 TierschG hineinlesen und auf die Idee kommen, schon das rechtlich gesehen „grundlose" Angeln an sich in Frage zu stellen.

Dies soll keine Anleitung zum Lügen sein, aber wer zumindest einen anerkannten „vernünftigen Grund" für sein Angeln benennen kann, der dann u.U. erst unmittelbar nach dem Fang weggefallen ist (beispielsweise weil der Fisch dann doch unappetitlich aussah, als er im Kescher lag und der Verwertungsvorsatz DANN erst nachträglich entfiel, der wird nicht verurteilt werden können, da genau in diesem Moment nach § 17 Nr. 1 TierschG der für die straffreie Tötung wiederum erforderliche „vernünftige Grund" nicht mehr vorlag.
Dem Angler zu beweisen, dass er niemals über einen solchen vernünftigen Grund beim Angeln an sich verfügte dürfte in der Praxis nicht gelingen, es sei denn, der Angler äußert sich selbst dahingehend (niemand kann wissen, was der Angler beim Angeln vielleicht noch beabsichtigte und sich erst später nach dem Fang evtl. anders überlegt hat, wenn der Angler seine Motive nicht selber preisgibt).

Nach alledem ist der Kreis derer, die wirklich Gefahr laufen, wegen „C&R" tatsächlich einmal verurteilt zu werden recht klein und erstreckt sich nur auf die Kollegen, die entweder meinen, sie müssten öffentlich (und damit nachweisbar) ihre Einstellung vor dem Angeln schon der Welt mitteilen, dass sie zwar angeln, aber das ohne jemals zu irgendeinem Zeitpunkt dabei über einen anerkannten „vernünftigen Grund" verfügt zu haben.
Es scheint so, als wären „Spaß am Fang" oder „Spaß am Drill" in unserem gesellschaftlichen, politischem und auch rechtlichem Klima hierzulande nicht ausreichend, um als „vernünftiger Grund" durchzugehen.

Deswegen sollte sich jeder „C&R" Angler einmal ernsthaft fragen, ob er nicht zumindest einen rechtlich auch anerkannten Grund für sich beanspruchen kann und will, der zumindest in dem Zeitraum vor dem Fang vorgelegen hat und sich anschließend nachträglich erst änderte, um so seiner Einstellung entsprechend angeln zu können, ohne dabei Gefahr zu laufen, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.

Da niemand auf der Welt uns Anglern in den Kopf schauen kann, würde somit auch keine Verurteilung erfolgen können.

Es steht und fällt also damit, was wir selber über unsere Motive und Absichten beim Angeln preisgeben.

Wer meint, er müsse sich damit rühmen, jeden gefangenen Fisch wieder zurückzusetzen und dies bereits vor oder beim Angeln so verlauten lässt, der muss auch mit der Gefahr leben, deswegen im schlimmsten Fall mal vor einem Richter zu landen.
Wer sich etwas cleverer verhält und vielleicht doch nach reiflicher Überlegung feststellt, dass zumindest mal ein „vernünftiger Grund" vorlag, der erst später nachträglich entfiel, dem wird diese Erfahrung erspart bleiben.

Etwas mehr Toleranz untereinander würde uns Anglern insgesamt bei dieser Thematik ganz gut tun und was viele Leser nach alldem vielleicht verblüffen wird, ich selbst, als der Autor dieses Beitrages, bin ein Freund der „selektiven Entnahme", fange meine Fische wenn möglich selektiv und zum Verzehr (womit ich vermutlich auch in den Kreis der oft so titulierten „Kochpottangler" gehöre, was in „C&R"-Kreisen oft als Schimpfwort gebraucht wird) und setze ggf. die Fische zurück, bei denen mir nach dem Fang der „vernünftige Grund" zur Tötung plötzlich doch auf einmal (*ups*) fehlt.

Quelle: Anglerpraxis.de